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Rundbrief 1
09.12.08 advent advent
Rundbrief2
 

Rundbrief2

Afeyia pa (= ein gutes neues Jahr...)

 

Das Huhn weiß, dass der Tag anbricht, lässt aber den Hahn krähen… (Ghan. Sprichwort)

Und dieser weiß dieses Privileg, mit einigen seiner Kollegen, auch wirklich zu schätzen, mit Vorliebe schon am sehr frühen Morgen, verbunden mit einem merkwürdig nervösem Scharren, vor meinem Fenster. Eine andere Weckmethode, die mir Zuteil wird, ereilt mich von meinen Mädchen, ungefähr so: „Madam, Madam, please we need the kitchen key“, morgens um 05.00h, wenn es ihnen, zurecht, ungefährlicher erscheint „Madam Annika“ zu wecken, als meine Gastmutter. Im Normalfall ist es aber ein Familienmitglied, welches dafür sorgt, dass ich die ghanaische Schlafdauer nicht überschreite, nur dann nicht, wenn meine Gastfamilie am Abend zuvor zu lange dem Genuss nigerianische Filme verfallen ist und deshalb etwas länger das Bett hütet.

Spätestens um 06.30h wird der Lärmpegel so, dass selbst ich, die ich gelernt habe mit der ghanaischen Lärmkulisse zu schlafen, aufstehe. Dann genieße ich die kalte Dusche mit Ausblick in unseren „tropical garden“, ein für Schlangen berüchtigtes „Gebüsch“, das aber vor allem am frühen Morgen mit wunderschönen, knallgelben Vögeln geziert ist. Ich habe mir angewöhnt, auch den frühen Morgen bewusst zu erleben. Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, war das nur ein einziges Stressprogramm und eigentlich so gar nicht dem Verständnis von sinnvollem Tagesstart entsprechend. So habe ich Zeit, zu lesen oder vor dem Einschlafen entstandene Unterrichtsideen vorzubereiten. Nebenbei begrüße einige Schülerinnen, die vor meinem Fenster unterwegs sind. Um ca. 07.30h geselle mich dann zu den Mädchen nach draußen, die dort zum Teil fleißig am Fegen sind. Leider hat das hierarchische System auch unter den Mädchen Einzug gehalten. Die Abschlussklasse gibt den „Erstklässlern“ lieber Arbeitsanweisungen, statt selbst zum Besen zu greifen. Spannender Weise wird das aber völlig protestlos akzeptiert, wahrscheinlich weil alle mal die „seniors“ sind und auf diese Art von „Macht“ im Kleinen nicht verzichten wollen. Weitergedacht ist das bei der gesellschaftlich niedrigen Position junger Ghanaerinnen ohne Ehemann und Kinder auch zu verstehen.

Weil ich meistens für lange Zeit die erste anwesende Lehrkraft bin, trommle ich dann um ca.07:30h zur morning devotion, die von einer der Mädchen „geleitet“ wird. (Nationalhymne, Vaterunser usw.). Manchmal wird das Programm zu meiner Freude durch einige Lieder auf Twi „aufgemotzt“, wie zum Beispiel eines mit der Melodie von „Weißt du wie viel Sternlein stehen“, welches  mich jedes Mal für einen Moment glücklich in meine Kindheit zurückversetzt.

Danach bewegt sich die in lila Schuluniformen gekleidete Horde junger Frauen zwischen 16 und 22 Jahren in Richtung Klassenräume. Montags starte ich dann gleich bei meinen „Zweiern“, die mich mit ihrer Energie und ihrem ausgeprägten Mitteilungsbedürfnis auch endgültig aus dem Schlaf rütteln und meine Energie ganz schön fordern. Je nach Stimmung und Unterrichtsfach macht das sehr viel Spaß oder ist einfach nur anstrengend. Um 09.15h ist Frühstückspause und wir schlendern in Richtung Dining Hall. Dort erwartet uns dann entweder „koko“, ein sehr dünner Maisbrei oder eine Art Reisbrei, leider aber nicht mit dem uns bekannten Milchreis zu vergleichen. Man gewöhnt sich jedoch an (fast) alles.

Oft schau ich dann bei der Köchin Ante Christi vorbei, die alle Speisen im Freien mit den einfachsten Mitteln und auf offenem Feuer zubereitet. Sie ist eine sehr warmherzige Frau, die mit großer Geduld und Ausdauer mein Twi aufzubessern versucht, nicht zuletzt, weil sie der englischen Sprache nur sehr eingeschränkt mächtig ist. Eine Sprache zu lernen ohne Übersetzung ist schwierig, da kommt es nicht selten vor, dass Hände und Füße ihren Einsatz finden.

Bis um 14.00h ist dann wieder Unterricht, wovon ich aber nicht die volle Zeit unterrichte. Zuweilen bin ich nach der Pause für den Tag fertig, anderentags erst um 14.00h. Anfangs fand ich die Zeit ohne Unterricht furchtbar langweilig, inzwischen weiß ich die Zeit zu nutzen, sei es um Unterricht vorzubereiten, Briefe zu schreiben, zu lesen, oder mit meinen Mädchen zu quatschen, die ich sehr lieb gewonnen habe. Ich sollte aber bei der Wahrheit bleiben und erwähnen, dass mein „neuer Umgang mit Zeit“ mich auch schon soweit führt, dass ich mich dabei ertappe, zu überlegen, ob es sich lohnt, für eine dreiviertel Stunde mein Buch zu holen (mein Zimmer ist ca. 30 Meter entfernt). Nichtstun erhält eine völlig andere Dimension in Ghana. Wenn die Zeit dann durch die genannten Punkte gefüllt/erfüllt ist, geht’s zum Mittagessen, ich erinnere mich dunkel, in meinem letzten Bericht von einem sauren ungenießbaren Kloß berichtet zu haben, der sich Banku nennt. Unser Verhältnis hat sich verändert, zwar sind wir keine dicken Freunde, tolerieren uns aber gegenseitig, der Fischkopf schwimmt in den Teller einer der Mädchen und ich esse brav das, was ich essen kann. Dass die Soße durch Okraschoten „gebunden“ wird und dieses, von der Natur in Ghana, nach meinem Geschmack, in zu hohem Maße „abgeworfene“ Gemüse (wer sie kennt weiß, das sie zu etwas seltsam schleimigen Konsistenz neigen) gehört zu unserem Verhältnis inzwischen ganz selbstverständlich dazu. Außerdem hat Banku einen Bruder namens Kenkey, ebenfalls aus Mais, die beiden ähneln sich, zumindest für mich, doch so enorm, dass auch da noch ein etwas distanziertes Verhältnis herrscht. Dreimal die Woche gibt es Bohnen mit Gari, hergestellt aus getrockneter Cassava-Wurzel. Manchmal gibt es Reis mir „Tomato stew“ und den Rest der Woche gibt es Yams oder Plantain (Kochbanane) mit einer spinatartigen Soße aus den Blättern der Yams-Pflanze. Zwar ist der Menüplan nicht gerade als sonderlich abwechslungsreich zu bezeichnen, entspricht jedoch im Großen und Ganzen der Nahrung der Ghanaer, zumindest in Mittel- und Südghana. (Im Norden fällt der Speiseplan aufgrund der großen Trockenheit noch karger aus). Die Ghanaer wissen jedoch mit ihren Möglichkeiten umzugehen und so bietet ein nachmittäglicher Spaziergang zum Markt ein durchaus buntes Bild. Über die erwähnten Plantains und den Yams hinaus gibt es eine große Auswahl an Obst: Bananen, Orangen, Mandarinen, Ananas, Papaya und seit einigen Wochen auch Mangos, die mir zeigen, dass ich nun schon eine lange Zeit in Ghana bin, denn als ich ankam, zeigte der Mangobaum auf dem Schulgelände noch keine Anzeichen, dass er bald Früchte tragen würde. Zuweilen verbietet es aber die Hitze und die mir angewöhnte ghanaische Gemütlichkeit (man könnte das auch Faulheit nennen, aber das habe ich aufgehört, weil es mir bei so viel Anpassung kein sonderlich befriedigendes Gefühl gibt), einen Ausflug zu machen, dann verbringe ich den Mittag im Schatten, mit dem Waschen meiner Wäsche, mit lesen, oder einfach schlafen. Und wenn mir danach ist, aktiv zu sein: Irgendwo ist immer was los, ghanaische Straßen sind nie leer. Einige der Kinder im Ort rufen inzwischen tatsächlich Annika und nicht mehr Obruni, wer weiß, vielleicht schaffe ich es bis zur Abreise allen meinen Namen beizubringen. Eines ist nämlich sicher: die Anwesenheit von Kindern überall, wird mir sehr fehlen, wenn ich Ghana verlasse.

 

Die Tage erscheinen mir in Ghana kürzer und so beginnt schon um 17.00h die Sonne am Horizont unterzugehen. Dann ist es Zeit für mich die langen Sachen anzuziehen um mich vor der Moskitoplage zu schützen, zumindest theoretisch,  praktisch wird das mit zunehmender Hitze immer unmöglicher und meine Angst Malaria könnte mich erwischen, wird ohnehin geringer. Ich bin mir bewusst, in den Tropen zu sein, aber hier in Ghana lernt man anders mit Krankheit umzugehen und Malaria gehört bei Ghanaern zur Tages-, na ja, sagen wir Monatsordnung, zumindest wenn man es nach den Medikamenten beurteilt, die mein Umfeld konsumiert. Zwar gibt es in Ghana gute Möglichkeiten einen Malaria-Bluttest zu machen, gern aber erhält man prophylaktisch ein positives Testergebnis, auch wenn dem nicht so ist, zu groß ist die Angst  die kleinen Parasiten-Plagegeister zu übersehen.

Aber zurück zum Einbruch der Dunkelheit in Duayaw-Nkwanta, um 18.00h ist Abendessenszeit und der Schichtwechsel zwischen Sonne und Mond hat stattgefunden. Um 19.00h sollten sich die Mädchen, wenn nicht gerade ein Regenguss oder Stromausfall dazwischen kommt, zur so genannten „preperation time“(Hausaufgaben- und Lernzeit) einfinden. Leider wandelt sich diese Zeit oftmals zur ins Klassenzimmer vor verlegten, „sleeping time“ um. Diese Zeitspanne gehört zu den eigentlich sinnvollen Dingen. Wenn jedoch am morgen, was öfter der Fall ist, nicht gearbeitet wurde, gibt es am Abend auch keine Hausaufgaben zu machen. Die Zeit muss aber trotzdem abgegessen werden und die Mädchen sind gezwungen, zu trainieren, was man hier, so ist mein Eindruck, wie Leistungssport betreibt: Nichts tun.

 

Hart auf die Probe gestellt…

Zu meinem, wie es nun vielleicht klingeln mag, recht geregelten Arbeits-/Alltag gehört, dass ich in Ghana bin und die Dinge dennoch immer wieder anders verlaufen, auch nach fast  4 Monaten noch. Jeder Tag bedeutet einen Schritt mehr ghanaische Kultur zu verstehen. Meine Situation in der Familie wird wohl bis zum letzten Tag eine Herausforderung bleiben. Auf meine eigene Art habe ich aber gelernt, das zu akzeptieren und zu schätzen. Meine Gastmutter Madam Pat ist eben meine ghanaische Gastmutter und in Momenten des völligen Unverständnisses hilft es, mir diese Tatsachen vor Augen zu führen. Manchmal, wenn ich vom Essen mit den Mädchen komme, mich mit vor den Fernseher setze und „african news“ schaue, bringt Madam Pat mir eine große Schüssel mit Plantains und sehr scharfer Soße bringt. Es nützt nichts, wenn  ich dann höflich zu verstehen gebe, dass ich sehr satt bin („it doesn’t matter, eat all“). Ich kämpfe mich also durch. Dennoch wird mir zwar mit ironischer, jedoch auch unüberhörbar leicht vorwurfsvoller Stimme mitgeteilt, dass ich doch bitte zahlen muss, wenn ich ihr Essen nicht esse, bzw. verschwende, wie sie es formulierte. Das sind schwierige Momente. Dennoch gebe ich mir sehr viel Mühe Madam Pat zu mögen und wie ich zu meiner Überraschung festgestellt habe, funktioniert das, wenn ich es mir nur oft genug sage, nein das ist keine Selbstmanipulation, das ist „survival training“.

 

Wie aus einer Horde fremder Mädchen Ruth, Belinda, Charity, Mercy und co. werden…

Nur zu gut erinnere ich mich an meine ersten Wochen, in denen mir die Mädchen einfach nur zu laut und fremd waren und ich große Mühe hatte, sie mit ihren Kurzhaarschnitten auseinander zu halten. Inzwischen sind sie meine Schülerinnen, die ich mit Namen kenne und deren Charakteren ich nach und nach auf die Schliche komme. Dabei hilft mir, ständig von ihnen umgeben zu sein und sie nicht nur im Unterricht zu erleben. Denn da frage ich mich schon hin und wieder, was sie zu manch seltsamen Verhalten bewegt. Warum läuft Ruth, ca. 18 Jahre jung, ständig im Klassenzimmer umher, kann nicht still auf ihrem Stuhl sitzen und  verhält sich kindisch und albern? Warum reizt es Victoria mich zu testen wann immer es möglich ist, sei es durch Arbeitsverweigerung oder ausgedehnte Toilettenbesuche mit verbundenem Spaziergang (please, Madam I´m going to visit the chief). Antworten auf diese Fragen erhält man sicherlich nur schwer während man 16 andere, großzügig mit ghanaischem Temperament ausgestattete junge Damen in eine Lernatmosphäre zu bewegen versucht. Bei uns würde man womöglich ADS diagnostizieren, aber hier hat das oft viel simplere Gründe, die man zum Beispiel dann erfährt, wenn man eines der Mädchen einmal mit nach hause begleitet. Das habe ich getan. Weil alle furchtbar gerne einmal ihre Madam Annika der Familie präsentieren, verbinde ich Erledigungen im Ort oft mit diversen Hinterhofbesuchen bei den Mädchen. Bei Ruth jedoch fand ich keine Fufu- stampfende Mutter oder Großmutter vor dem Haus vor. Ruths Eltern sind Farmer und wohnen nicht mit ihren Kindern zusammen, wie sie mir an diesem Nachmittag erzählt. Weiter erfahre ich, dass sie eine kleine Schwester hat, die es zu versorgen gilt, neben all den anderen Aufgaben die ein Haushalt aufwirft. Ab und zu kommen die Eltern am Wochenende, um zu bringen, was die Farm an Nahrungsmitteln abwirft, meist aber sind Ruth und ihre kleine Schwester auf sich gestellt.

Seit diesem Nachmittag sehe ich diese junge Frau mit anderen Augen, mit Bewunderung und Respekt. Das kindische Verhalten im Unterricht ist zwar trotzdem manchmal sehr anstrengend, aber irgendwo muss auch Ruth einmal Kind sein, spätestens am Nachmittag schlüpft sie wieder in die Rolle der jungen Frau die einen Haushalt alleine managed. Sie ist eines der unzähligen Kinder, die, sobald sie laufen lernen, Verantwortung übernehmen und auf eine sorgenfreie, vom Spiel erfüllte Kindheit weitgehend verzichten  müssen. Natürlich kenne ich nicht annähernd alle diese persönlichen Hintergründe der Mädchen, aber ich weiß, dass oft hinter fröhlichem Auftreten etwas anderes ist, als eine unbeschwerte Jugend.

Belinda im dritten Schuljahr ist schwanger und wird im Januar ihr Baby bekommen. Der Grund, warum sie trotz der Schwangerschaft weiter die Schule besuchen darf ist Vetternwirtschaft, normal würde das natürlich nie geduldet werde, weil sie aber mit der Direktorin verwandt ist, darf sie bleiben. (Das Baby ist inzwischen geboren!)

 

Zwischen Theorie und Praxis...

Nachdem klar geworden ist, dass die Schule schon am 6.12.08 Ferien macht, aufgrund der am 7.12.08 stattgefundenen Wahlen (dazu später mehr), war auch klar, dass die obligatorischen Prüfungen (first-term-examination) schon früher stattfinden müssen. Darum hat sich mein Kollege Ebenezer gekümmert, zumindest hat er einen Plan entworfen, wann Wiederhol- und wann Prüfungswoche sein soll. Ich habe dann meine Fragen entworfen, für Hygiene und kitchen French jeweils in allen 3 Klassen. Nicht ganz einfach, wenn effektiv 1 Monat Unterricht stattgefunden hat. Während ich fleißig begonnen habe die Mädels Probetests schreiben zu lassen und bemerke, dass ich meine für sehr einfach gehaltenen Fragen weiter vereinfachen muss, kamen am Ende der Woche einige meiner Kolleginnen um mir ihre Fragen zum tippen zu geben. Ich hatte derweil mit Ebenezer ausgemacht, dass er meine Fragen mit ausdruckt. Der war aber inzwischen nach Accra verschwunden und kam erst im Laufe der Woche wieder. Ich habe die Pruefungsorganisation dann kurzerhand an mich genommen und war gluecklich eine richtige, mich fordernde Aufgabe zu haben.

Während der Prüfungen, konnte ich nicht nur feststellen, wie ghanaische Mädchen ihre Spickzettel verstecken, die knielange Uniform eignet sich hierfür recht gut, sondern auch, dass Schule besuchen hier nicht zwangsläufig mit einem gewissen Bildungsstand zusammenhängt. Rebecca, Schülerin der ersten Klasse, aber schon 21, schreibt völlige wirre Wortketten, die weder ein Wort ergeben, noch sonst irgendeinen Sinn haben. Dieses Mädchen hat die Secondary School abgeschlossen, kann aber weder lesen noch schreiben. Mündlich ist sie meist eifrig dabei, aber was muss das für ein Gefühl sein, dazusitzen, theoretisch Ahnung zu haben, aber die Fragen nicht lesen zu können, meine mathematische Karriere hat mir zwar durchaus das Gefühl gewisser Ahnungslosigkeit vermittelt, aber nicht einmal lesen zu koennen, was gefragt ist, muss furchtbar sein.

Ich habe beschlossen, Rebecca im neuen Jahr Nachhilfe zu geben und hoffe sehr Erfolg zu haben.

 

Gye Nyame (=  Gott, der Allmächtige), In God we trust, oder einfach nur unerschütterlich religiös?

Aber kann dieses, scheinbar unerschuetterliche Gottvertrauen auch jede Vorsichtsmaßnahme im Auto ersetzen!

Ist der Regierungswechsel wirklich unhinterfragt von Gott bestimmt und deshalb positiv?

Dies alles sind Fragen, die ich mir stelle, wenn ich die Alltagspräsenz von Religion in Ghana betrachte. Ich frage mich, können wir vielleicht richtig etwas von der ghanaischen Frömmigkeit lernen oder hängt das einfach mit der anderen Mentalität oder den schwierigen Lebensbedingungen zusammen?

Die meisten Autos hier werden mit einem dieser leidenden Jesusbilder beklebt und auch von diversen Schriftzügen wie „Jesus loves me“, „By his grace“ oder vom 23.Psalm. Nach vier Monaten in diesem Land habe ich mich an diese Dinge gewöhnt, auch an die Werbeprediger, die kurz vor Abfahrt in den überfüllten Bus steigen, in welchem alle nur die Abfahrt herbeisehnen, um etwas Fahrtwind abzubekommen. Durch ein schepperndes Mikrofon, wird dann zu mehr Bibelfestigkeit aufgerufen, hinterher wird ziemlich zuverlässig versucht, etwas zu verkaufen, wie etwa einen daily guide oder einer Kasette mit Gottes Wort. Die Stille Umgebung, die wir beim Beten gewöhnt sind, scheint nicht notwendig. Warum also TV Africa abschalten, wenn gebetet wird?

Dieses Phaenomen gehört einfach zur Kategorie Unverkrampftheit, so habe ich bemerkt, genauso die feste Uhrzeit für den Gottesdienst, die es schlichtweg nicht gibt. Auch die Gebetsinhalte gestalten sich eher offen. Wenn für die favorisierte Partei gebetet wird, (für mich dann durch die jeweilige Parole erkennbar, da sonst das Gebets-Twi eher der Geschwindigkeit eines ICE’s entspricht), ist das genauso legitim, wie für friedliche Wahlen, Geld oder noch konkreter, für ein Auto zu beten. Die völlig normale Zusammengehörigkeit von Glaube und Geld lässt mich nach wie vor erschaudern. Einmal im Monat ist Annual Harvest und die Gemeindemitglieder sind dazu aufgerufen, ihre Taschen zu leeren. Dieses Eintreiben von Geld wird durch bizarre Spiele bis zu 5 Stunden (Gottesdienst) hingezogen. Alle montags Geborenen werden zum Opferstock gebeten, so die Woche hindurch, dann alle Ehefrauen, Männer, solche die auf der Suche sind, alle Kinder und sonstige, bei den Haaren herbeigezogenen Situationen, die zum Spenden aufrufen sollen. Zu grosser Freude führt auch ein Spiel, bei dem ein Stuhl gesegnet wird, dann eine Person den Opferstock füllt und auf dem gesegneten Stuhl Platz nehmen darf. Findet sich aber ein großzügigerer Geldgeber (und man setzt alles daran, dieser zu sein), muss man das Feld räumen und „der Moment des Gott näher Seins“ durch diese Gabe ist vorüber.

Ein Besuch meinerseits in der Apostolic Church und nicht wie gewohnt der Presbyterian Church, endete damit, dass ich auf die supporter list gesetzt wurde, ungefragt, um zu spenden. Ca. 5 Minuten später sollte ich die Geldgeber dann auch noch selber segnen. Geld sammeln kennt keine Grenzen. Ebenso geht es auf Hochzeiten zu und auf Beerdigungen.

Relativ kurz nach meiner Ankunft starb der Vater von Charity, einer meiner Maedchen. Das ich so schnell mit dem Thema Tod in Ghana konfrontiert wurde, war nicht einfach für mich, denn in einer völlig fremden Umgebung diesem Thema zu begegnen, ist noch mal etwas vollkommen anderes, zumal der Umgang mit dem Tod hier  völlig anders ist. Nach einer Woche wurde zur sogenannten „one week celebration“ geladen. Zu dieser Zeit fühlte ich mich ohnehin noch nicht so wohl. Umso schwerer fiel mir alles. Der ghanaischen funeral-tradition nach werden alle in der ersten Reihe sitzenden Gäste per Handschlag begrüßt. Unter den Feierlustigen, einigen Chiefs, sitzt da auch meine Schülerin. Während zu lauter Musik getanzt wird, dazu Meatpie und Fanta genossen wird, weint, nein schreit Charity sich den Schmerz aus dem Leib. Die Mischung aus reiner Feierlust (ohne Anteilnahme wie wir sie verstehen) und dem Verlust, den dieses Maedchen erleidet, kann ich nur schwer nachvollziehen und ertragen. Das richtige Beerdigungswochenende mit Bestattung lässt noch einen ganzen Monat auf sich warten. Charity ist längst wieder in der Schule und von ihrer Trauer ist nahezu nichts zu bemerken. Für die Beerdigung habe ich mir die traditionelle Kleidung Schneidern lassen, die Trauerfarben sind rot und schwarz. Ich denke mir, ich falle auch so schon genug auf, wenigstens die Kleidung soll stimmen. Die Zeremonie auf dem Friedhof verpasse ich, was folgt, ist die Feier und die ist dazu da, um die Trauer hinter sich zu lassen. Wir spenden im Namen der Schule Geld, danach bedanken sich die Familienangehörigen mit Handschlag, ich habe vergessen, der gespendete Betrag wird auf einen, von der Aufmachung her wie ein Geldschein bedruckten Zettel geschrieben. Ein Bild des Verstorbenen und die Lebensdaten vollenden das für ich perfekte Bild der Geschmacklosigkeit. Bevor wir die Feier verlassen, wird noch ein Tanz der Schülerinnen der Schule durchs Mikrofon angekündigt, den ich Charity zuliebe auch noch hinter mich bringe.

Für mich ist all dies besser zu akzeptieren, wenn ich es nicht zu sehr mit meiner Form von Glaube vergleiche. Wir glauben an ein und denselben Gott, aber aus unterschiedlicher Perspektive. Der Glaube hier ist außerdem nach wie vor, bzw. wieder von den Naturreligionen geprägt, man darf nicht vergessen, woher der christliche Glaube hier überhaupt rührt. Irgendwie ist es den Ghanaern möglich, die afrikanischen Goetter mit dem einen Gott ins Boot zu setzen, ohne dass es ihnen widersprüchlich erscheint. Besonders deutlich wird diese Ambivalenz im Glaube an den heiligen Geist, dazu ein fuer mich tiefgreifendes Erlebnis:

 

In Jesus name...

Ein gewöhnlicher Morgen, mit einer anfänglich gewöhnlichen morning devotion, anders nur durch die Anwesenheit der Direktorin. Die fröhlich klingenden Gesänge zu Beginn werden durch Gebetsgeschrei ausgewechselt und ich beginne mich unwohl zu fühlen. Alle haben die Augen geschlossen und die Hände gen Himmel gestreckt. Die Direktorin geht nun einzeln auf die Mädchen zu und berührt sie an der Stirn und brüllt: „in jesus name, in jesus name....  und einiges, für mich Unverständliche in Twi. Die Mädchen beginnen in eine Art Extase zu geraten, fallen ungebremst auf den Boden, stossen sich den Kopf an und wen es ganz heftig erwischt, der krampft, einem epilleptischen Anfall ähnlich. Ich stehe da und zittere am ganzen Körper, gerade hatte ich angefangen, die Mädchen persönlich kennenzulernen, da werden sie mir wieder so fremd durch eine Sache, die uns doch eigentlich verbinden sollte. Ich merke, der Situation nicht mehr gewachsen zu sein und verlasse eilig den Raum, halte mir die Ohren zu und möchte einfach nur fliehen. Was ist das, frage ich meine Gastschwester Nat, die mich völlig aufgelöst im Haus vorfindet. Es ist die Begegnung mit dem heiligen Geist, die Mädchen werden also in einen Zustand versetzt, ausgelöst durch die Direktorin, der sie reinigt und erleuchtet. Ist das der gleiche Gott, an den wir glauben?

Später erkläre ich der Direktorin, warum ich nicht bleiben konnte, sie erklärt mir, dass dieser Zustand mir, bwz. der europäischen Jugend nicht wiederfahren könne, weil wir nicht daran glauben und richtig, so ist es- ich bin mir sicher, dass derartige Zeremonien stark von der Ahnen/Geisterbeschwörung geprägt sind. Ich will das nicht werten, weiss aber für mich, nicht mehr teilnehmen zu wollen, sollte das wieder stattfinden, zu unheimlich und fremd ist mir das.

Zum Glück ist aber nicht alles so absonderlich....

Inzwischen habe ich meine favorite songs in church und die Fellowship-Presby-Frauen kennen mich. Manchmal ertappe ich mich dabei, mit den Worten: „God bless you“ zu danken, wenn mir jemand etwas gibt, ich erinnere mich aber noch gut, wie, offen gesagt, daneben ich das am Anfang fand. Ich lerne mit diesem Glauben umzugehen, v.A. im Umgang mit den Mädchen kann das sehr hilfreich sein, weil ich sie so mit ihren, böse gesagt, eigenen Waffen schlagen kann. Z.B. bei meiner Plätzchen-Back-Aktion vor den Weihnachtsferien, bei der es den Mädchen nicht möglich war, gerecht zu teilen - also gab es einen kleinen Exkurs über die Nächstenliebe.

 

Wie ein völlig fremder Ort zur Heimat wird...

Ich bin nun zurück, habe Duayaw Nkwanta für einen Monat verlassen und in der Zwischenzeit ist wirklich einiges passiert. Am 07.12.08. hat Ghana, lasst mich es so formulieren, angefangen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Zu dieser Zeit war ich back to the roots in Abetifi, alles war friedlich, ein klares Ergebnis konnte jedoch nicht gefunden werden, so wurden für den 28.12.08 Stichwahlen zwischen den beiden grossen Parteien, NPP(national patriotic party, Regierungspartei seit 8 Jahren unter John Kufour) und der NDC(national democratic congress) angesetzt. Leider trug auch dieser Wahlgang noch zu keinem endgültigen  Ergebnis. Gerüchten zufolge wurde in einem Distrikt, meiner Region, eine Wahlurne geklaut. Andere Stimmen behaupten, die Wahlzettel seien ausgegangen, wie auch immer, was lange währt, wird endlich gut, Ghana hat einen neuen Präsidenten, wenn auch erdenklich knapp und Atta Mills ist neuer Präsident. Ghana hat das wahlkampfwirksame Motto: „We need change“ wahr gemacht, Plakate, die Mills und Obama gemeinsam zeigen, weisen auf die grosse Hoffnung hin, die sich hinter diesem Wechsel verbirgt. Change gibt es aber auch auf mich selbst bezogen, ich bin erholt, der Abstand war Gold wert, um mich in Duayaw Nkwanta zu reflektieren. Tatsächlich war ich etwas besorgt, dass die Rückkehr mir schwer fallen könnte. Ich glaube aber eher, dass mir die Zeit geholfen hat, Duayaw Nkwanta schätzen zu lernen, auch durch den Vergleich mit anderen Stellen. Ich weiss, was ich an meinen Mädchen habe und das eine Gastfamilie sehr wohl positive Seiten hat. Mit gewonnenem Selbstvertrauen werde ich ins neue Jahr starten und hoffentlich all meine neue Motivation, die mir mein Urlaub gebracht hat, nicht zu verlieren.

Ich bin nun endlich wirklich angekommen und weiss, wo mein Platz ist. Schon erstaunlich, dass ich die Frage nach meinem Heimatort auf Reisen stets ohne Zögern mit Duayaw Nkwanta beantwortet habe, aber es ist wahr, auf gewisse Weise bin ich hier zuhause.

 

In diesem Sinne wünsche ich ein gutes neues Jahr 2009 in Deutschland und vielen lieben Dank für jegliche Form der Anteilnahme an meinem Aufenthalt!

Eure  Akua Annika

 


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